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31.05.2022

Der Geist weht wo er will... doch mein Leib kann sein Tempel sein - Gedanken zum Pfingstfest

Pusteblume

An Pfingsten erinnern wir uns der Ausgießung des Geistes, den Jesus seinen Nachfolgern versprach und wir strecken uns selbst nach diesem Geist aus.
In diesem Jahr brauchen wir die wandelnde, erneuernde und verbindende Kraft des Geistes Gottes mehr denn je. Die Welt braucht diese überraschende und unverfügbare Geistkraft, die das Harte löst und das Kalte wärmt, das Ausweglose öffnet und das Erstarrte in Bewegung bringt.
Der Apostel Paulus sagt: Der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an (Röm 8,26).
Das Erleben von Schwachheit und Ausweglosigkeit kann die bevorzugte Gelegenheit sein, um die Erfahrung der wandelnden Kraft des Heiligen Geistes zu machen. Wenn wir mit unseren Möglichkeiten am Ende sind, beginnt der Geist Gottes mit etwas Neuem. Als Christ möchte ich ein Mensch sein, der sich offen und berührbar macht für die hintergründigen Bewegungen der Geistkraft.

In der kirchlichen Tradition ist es selbstverständlich vom Heiligen Geist zu reden. Dabei bedeutet das hebräische Wort „ruach“, das für den Geist in der hebräischen Bibel steht, etwas ganz anderes.
Die „ruach“ ist eine weibliche Form und bedeutet soviel wie Atem, Wind, Bewegung.
Atem und Wind sind im orientalischen Lebensgefühl das Gleiche, nämlich Luft in Bewegung.
Bei dieser Bewegtheit geht es auch um eine schöpferische Kraft und Energie.
Die weibliche Erfahrungswelt des Gebärens steht hinter der schöpferischen ruach, daher ist der Geist weiblich.
Die ruach führt in die rebach, in die Weite, in die Rettung, wo der Mensch aufatmen und weit werden kann.
Die ruach ist auch verwandt mit reach = Duft. „Der Duft, der aus der geistigen Freude strömt, ist wie Atem, der den Leib belebt. Wenn du da bist im Leib,in dir ruhst, duftet es schon, ist dein Geist frei, kann aufsteigen.“ (Friedrich Weinreb)
Wenn wir jetzt durch die duftende Natur gehen, strömt uns die Güte Gottes entgegen.

Unser deutscher Begriff Geist entspringt einer Fehlübersetzung, die durch die Übersetzung der iro-schottischen Mönche aus dem lateinischen spiritus kam. Im griechischen Neuen Testament war der Begriff pneuma mit der Bedeutung Geist, Hauch, Luft, Atem, bis auf den Wechsel des Geschlechts als einer sächlichen Form noch relativ nah am hebräischen Ursprung. Als dann eine Übersetzung in die lateinische Bibel, die Vulgata erfolgte, änderte sich wiederum mit dem Wort spiritus das Geschlecht. Der Geist wurde maskulin. Aber auch das Lateinische spiritus trägt noch die Bedeutung von Lufthauch und Atem.
Zuletzt übertrugen die iro-schottischen Mönche den Begriff in das indogermanische gheis (englisch: ghost). Dieses Wort hat ursprünglich die Bedeutung „erschaudern, aufgebracht sein, aufgeregt sein“, im weiteren auch: „erschreckt, ergriffen, entsetzt sein, sich fürchten“. Damit wurde er Geist dann etwas in die Gruselecke gedrängt.
Schon im Althochdeutschen wurde der Begriff Geist dann inhaltlich der christlichen Denkweise angepasst und in der Formel „Heiliger Geist“ in die Kirchendogmatik aufgenommen.
Der Geist Gottes hat also schon einiges mitgemacht auf seiner Reise durch die Geschichte und die verschiedenen Sprachen. Und doch bleibt er im Kern bewegender Atem und wandelnde Kraft Gottes mit einer stark weiblichen Note.
Es kann spannend sein, einmal für die Stellen in der Bibel, wo Geist steht, die Worte Wind oder Atem einzusetzen.
Wenn Gott atmet, wandelt er die Welt und wo sein Wind weht, kommt Erneuerung.

Zu Pfingsten bekommt der Geist Gottes noch eine andere Farbe. Er verbindet, ermutigt und begeistert. Fremde verstehen einander, trotz aller Unterschiede und die ersten Christen waren „ein Herz und eine Seele“.
Der Geist erfüllt den Raum zwischen dem Ich und dem Anderen mit Wärme. Er füllt die Abgründe zwischen uns. Er ist die verbindende Kraft des Universums und unserer Beziehungen.
John O’Donehue schreibt: „Zwischen den einzelnen Dingen... existiert eine andere Welt, eine unsichtbare Welt, die diese Trennung und Ferne umfängt. Hier herrscht der Heilige Geist und hält jenes mächtige Reich des „Dazwischen“ zusammen.... Der Zwischenraum erscheint dem Auge leer; doch die Vorstellungskraft erkennt lauter Wege zur Schönheit.“
Der Heilige Geist ist das alles beseelende „Dazwischen“. Er verbindet, versöhnt und bringt in Beziehung.
Das, was fehlt, weil es menschliche Kraft übersteigt, gibt uns der Geist.

Gleitschirm

Ich glaube an die göttliche Ruach, den Heiligen Geist, 

 der Kraft und Erkenntnis gibt 

im Jetzt zu handeln 

und jetzt schon zu leben, was dann einmal sein wird.

Ruach auf hebräisch, 

pneuma auf Griechisch, 

spiritus auf Latein 

- ein Wort - weiblich erst!
dann sächlich und männlich geworden, 

das in allen drei Sprachen auch ganz profan „frische Luft“ bedeutet und „Wehen“ 

– als zärtlicher Hauch und als brausender Sturm 

und „Wind“ – der den Regen bringt auf das dürre Land 

und „Beatmen“ – das wiederbelebt was nahe dem Tode ist 

oder „Atem“ meint 

und „Odem“ des Lebens.

Die göttliche Ruach, die heilige Kraft, 

die „über der Urflut schwebte“ als aus dem „Tohuwabohu“ die Ordnung des Kosmos entstand. (Gen. 1,2) 

Die Kraft, die bewirkt 

dass Menschen - damals und heute –

verstehen, was du, Gott, sagst

die heilige Geistkraft, die bewirkt

dass Augen sehen und Ohren hören

was du gezeigt hast:

die Wirklichkeit hinter dem Dasein

die Wahrheit hinter den Buchstaben

das Leben im Tod….

Ich glaube an den Heiligen Geist, 

weil ich sehe, höre und spüre wie die gleiche Kraft, 

die von dir Jesus ausgeht, 

auch heute wirkt….


Reinhard Körner, in: Credo

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