Liebe Freundinnen und Freunde vom Haus der Stille, liebe Weggefährten,

Das Erntedankfest steht vor der Tür.

Wofür können wir in diesem eigenartigen Jahr danken?
Vor ein paar Tagen traf ich beim Waldspaziergang ein bekanntes älteres Ehepaar. Ich fragte, wie es so geht und bekam als Antwort: „Für uns als Rentner mit Haus im Grünen ist das Leben in dieser Zeit eher entspannter geworden. Es geht uns richtig gut. Wir haben uns und sind dankbar.“
Nicht dass solche Antworten repräsentativ wären, aber mir tat es gut, diese Stimme zu hören. Daneben erfahre ich von zunehmender Druck unter Berufstätigen und von massiven Existenzängsten bei Selbständigen.

Wir leben in diesen Zeiten fokussierter. Wir nehmen deutlicher wahr, was uns fehlt und was uns gegeben ist, was das Leben arm und was es reich macht, was uns stört und was uns Zufriedenheit spüren lässt.

Bei einem Erkundungsweg in den Klusfelsen bei Halberstadt entstand das untenstehende Bild aus einer vielleicht Tausend Jahre alten Einsiedlerklause heraus. Der Himmel erscheint eingefasst und begrenzt, aber darin um so kostbarer und verheißungsvoller. Aus der Enge einer Eremitenklause durch diese Öffnung in den Himmel zu sehen, macht ihn erst zum Sehnsuchtsort. Ein Stück weit sehe ich da Parallelen zu unserer derzeitigen Situation. Die Einengungen, die wir erleben, zentrieren den Blick auf unsere wahren Bedürftigkeiten. 

Was sagt uns das Erntedankfest in diesem Jahr?

Nichts ist selbstverständlich. Vieles, was uns selbstverständlich vorkam, erscheint uns nun wie ein kostbares Geschenk: Das Berührtwerden, die freundliche körpernahe Geste, die Umarmung unter Freunden, der vertraute Besuch oder auch die Feier des Gottesdienstes und das gemeinsame Abendmahl. Wir lernen gewohnte Dinge neu schätzen.

Für uns im Kloster Drübeck waren die Gebetszeiten in der Kirche eine Selbstverständlichkeit. Wir tun uns immer noch schwer damit, Formen zu finden, die dem Bedürfnis der Menschen und zugleich den sich immer wieder verändernden Hygieneauflagen entsprechen. Vor Corona wurde ich oft nach der Andacht von Teilnehmern angesprochen. Jetzt vermeiden Menschen eher den Kontakt. Sich mit Maske anzusprechen erschwert das Aufeinander-Zugehen zusätzlich.
Auch der Handschlag und der Blick ins Gesicht eines gerade angekommen Gastes fehlen mir. Das ist mehr als Höflichkeit. Es ist ein bewusstes Wahrnehmen und ein Stück Zuwendung zum Anderen, der sich so als Gast aufgenommen und gesehen weiss.

Ich finde es mitunter krampfig und befremdlich, wenn mir jemand erklären will, wie viele sinnvolle und schöne Elemente von Kommunikation er in dieser berührungsarmen und gesichtslosen Zeit für sich entdeckt.
Es gehört zur Ehrlichkeit, zu sagen: Da fehlt uns etwas wirklich Wesentliches! Es fehlt, trotz mancher Ersatzhandlungen. 
Vielleicht liegt der eigentliche Wert dieser Zeit darin, das Fehlende wahrzunehmen, wertzuschätzen und es neu zu ersehnen. Das könnte unser Empfinden vertiefen und uns anders in die Zeit nach Corona gehen lassen.
So liegt ein großes Aushalten in dieser Zeit. Geduld und Gelassenheit sind die Tugenden der Stunde. Humor und Kreativität können manches abfedern. 

Ich finde in diesem Jahr viel Sammlung und Kraft im Herzensgebet, dass ja auch in unserem Kursprogramm einen festen Platz hat. Für mich ist es die angemessene Reaktion auf das Eingeschränktsein um uns, weil es einen Freiraum schaffen kann. Und ich weiß, dass einige von denen, die diesen Brief erhalten, ähnliche Erfahrungen machen. Dieses Einüben im Sich-Los-Lassen auf Gott hin schafft Abstand zu den Aufgeregtheiten um uns und es schafft einen weiten Raum, in dem ich mich berührt weiß von der Güte, die mein Leben umfängt.
Zugänge zum Herzensgebet finden sich im kommenden Jahr gleich in drei Kursangeboten.

Hinweisen möchte ich nochmals auf das Angebot „spirituelles Körperlernen“ im nächsten Jahr vom 15.-21. März. dazu steht unten ein Flyer mit Informationen bereit.  Hinter diesem Kursangebot steht die Erfahrung, dass unser Körper oft mehr weiß als sich in unserem Verstand zeigt. Die Leibwahrnehmung öffnet uns Wege, unseren Mustern auf die Spur zu kommen, unser Vertrauen zu stärken und unsere Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern. Vertrauen und Loslassen werden in ihrer Tiefe körperlich erfahren. In gleicher Weise entwickelt sich aus dem leiblichen Erleben von Lassen Gelassenheit und aus dieser Gelassenheit die Offenheit, sich von Gott führen zu lassen.

Das Erntedankfest hilft uns, den Fokus für die wahrhaft dankenswerten Dinge zu schärfen: Was ist mir in diesen eigenartigen Zeiten wertvoll geworden? Was erfahre ich als ein Geschenk? Wo gewinnt die Dankbarkeit in allem Sorgen um die Zukunft Raum?

„Wer zu danken gelernt hat, lebt als ein Befreiter,“ schreibt Helmut Thielicke. Vielleicht helfen beim Nachsinnen auch die unten stehenden Gedankensplitter zum Thema Dankbarkeit.

Ihnen und Euch allen wünsche ich einen fruchtbaren Herbst mit guten Gründen zum Danken.
Möge mit dem Herbstwind auch der Geist Gottes uns umwehen und in Bewegung bringen, wo wir in Gewohnheit und Sorge zu erstarren drohen.

Herzlich grüßt, auch im Namen von Irene Sonnabend und Cordula Finger,

Stefan Wohlfarth

Dankbarkeit stiftet Beziehungen
und bewirkt eine neue Beziehung zu sich selbst.
Das Selbstverständliche entschwindet,
alles zeigt sich als entgegenkommende Gabe.
Was einer äußerlich empfängt,
das wird ihm im Danken innerlich zu eigen.
Clemens Schaub


Im Hebräischen gibt es kein Wort für „danken«, es gibt nur »loben und preisen«. Jeder Aspekt davon, dass man danken "muss", ist ausgeklammert. Spontanes Loben und Preisen kommen von "selber", ohne Zwang.
Johannes Diezfelbinger


Das Gegenteil von Dankbarkeit ist das Gefühl, auf etwas Anspruch zu haben.
R. Sheldrake



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